Beim Mahnbescheid die Einspruchsfrist versäumt – was jetzt?
Der Bundesgerichtshof hat mit seinem Beschluss vom 22. November 2018 ein wegweisendes Urteil zu der Frage gefällt, unter welchen Umständen beim Versäumen der Widerspruchsfrist oder Einspruchsfrist versäumt auf einen Mahnbescheid nach dem Eintreffen des Vollstreckungsbescheids die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand möglich ist – und unter welchen nicht.
Dabei hat der Beklagte vor allem das Argument betont, dass er ab einem gewissen Zeitpunkt nicht mehr mit dem Vollstreckungsbescheid hatte rechnen müssen. Daher sei der während seiner Abwesenheit eingetroffene Bescheid Anlass genug, ihm die Wiedereinsetzung zu gewähren. In der Tat ist der Vollstreckungsbescheid erst rund drei Monate nach Verstreichen der Widerspruchsfrist beim Beklagten eingegangen.
Das Gericht räumte ein, dass dem Beklagten nicht alleine deshalb ein Verschulden an der Versäumung der Einspruchsfrist zugesprochen werden kann, weil er keinen fristgemäßen Widerspruch gegen den Mahnbescheid eingelegt hat und damit den Vollstreckungsbescheid verhindert hätte. Ein ähnliches Verfahren am Oberlandesgericht Frankfurt am Main ließ der Bundesgerichtshof in diesem Punkt nicht gelten, da dort der Vollstreckungsbescheid bereits neun Tage nach Verstreichen der Widerspruchsfrist eintraf.
Damit legte das Gericht fest, dass eine Partei nach dem Eintreffen eines Mahnbescheids zumindest für einen unmittelbaren Zeitraum nach Ablauf der Widerspruchsfrist mit der Zustellung eines Vollstreckungsbescheids rechnen muss und daher die Möglichkeit hat, gegen diesen Einspruch einzulegen.
Die versäumte Einspruchsfrist
Da wie erwähnt im vorliegenden Fall rund drei Monate zwischen Fristablauf und Zustellung des Vollstreckungsbescheids lagen, lässt sich nach Sichtweise des Gerichts ein Verschulden des Beklagten nicht alleine aus dem Umstand ableiten, dass er keinen Widerspruch gegen den Mahnbescheid eingelegt hatte. Denn das würde bedeuten, dass ein Verschulden an der Versäumung der Einspruchsfrist alleine darauf gründet, dass die Partei es zu der Entscheidung hat kommen lassen, obwohl sie mit einem Einspruch anfechtbar gewesen wäre. Das allerdings ist als Begründung nicht ausreichend.
Allerdings hat sich eine anderer Aspekt der Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main für diesen Fall als zutreffend erwiesen. Nur wenn der Beklagte ohne eigenes Verschulden verhindert war, die Notfrist einzuhalten, darf Wiedereinsetzung gewährt werden. Die Tatsachen, die eine Wiedereinsetzung rechtfertigen, muss der Beklagte darlegen und glaubhaft machen. Dabei spielt eine erhebliche Rolle, ob er bereits an einem gerichtlichen Verfahren teilnimmt oder konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass ein solches Verfahren gegen ihn in Gang gesetzt wird. In diesem Fall muss er damit rechnen, dass während seiner Abwesenheit Termine festgelegt oder Fristen in Gang gesetzt werden. Entsprechend ist der Beklagte verpflichtet, seinen Posteingang zu prüfen und für die rechtzeitige Ausführung fristwahrender Handlungen Sorge zu tragen.
Unter diesen Gesichtspunkten konnte das Gericht nicht feststellen, dass der Beklagte schuldlos daran gehindert war, die Einspruchsfrist gegen den Vollstreckungsbescheid einzuhalten. Der Eingang des Mahnbescheids war unstrittig, daher musste der Beklagte mit weiteren Zustellungen gerichtlicher Art rechnen. Zudem enthält der Mahnbescheid den unmissverständlichen Hinweis, dass ohne fristgerechten Widerspruch ein entsprechender Vollstreckungsbescheid ergehen kann, gefolgt von der Zwangsvollstreckung durch den Antragsteller.
Haltung des Gerichts
Das bedeutet: Durch die Zustellung des Mahnbescheids erhielt der Beklagte die Möglichkeit, dagegen Widerspruch einzulegen, was ihm einen ersten Zugang zu Gericht eröffnete. Allerdings hat der Beklagte innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist lediglich erklärt, für 18 Tage abwesend gewesen zu sein und erst nach der Rückkehr vom zwei Tage nach seiner Abreise eingetroffenen Vollstreckungsbescheid erfahren zu haben. Dadurch sei es zwangsläufig zur Überschreitung der Einspruchsfrist gekommen. Das Gericht nahm die Haltung ein, dass durch diese Einlassung die Schuldlosigkeit des Beklagten an der Versäumung der Einspruchsfrist nicht ausreichend dargelegt wurde.
Ein wesentlicher Aspekt für die Sichtweise des Gerichts war auch die Höhe der Forderung über 360.000 Euro. In diesem Fall muss eine Partei, die keinen Widerspruch gegen den Mahnbescheid einlegt, erst ab einer Frist von sechs Monaten ab Zustellung des Mahnbescheids nicht mehr mit einem Vollstreckungsbescheid rechnen. Grundlage dieser Sichtweise ist § 701 ZPO, wonach die Wirkung des Mahnbescheids wegfällt, wenn der Antragsteller den Vollstreckungsbescheid nicht binnen sechs Monaten beantragt, gerechnet ab der Zustellung des Mahnbescheids.
Erfolgt die Zustellung in einem kürzeren Zeitraum – insbesondere bei einem erheblichen Forderungsbetrag – muss der Beklagte mit weiteren Zustellungen rechnen. Andere Gründe, warum der Beklagte nicht mehr mit einer weiteren Rechtsverfolgung hätte rechnen müssen und daher von weiterer Vorsorge entbunden wäre, hat er nicht dargelegt. Auch aus dem sonstigen Sachvortrag der Parteien hatten sich keine weiteren Gründe ergeben. Der Beklagte hatte auch nicht erklärt, dass keine anderen außergerichtlichen Mahnungen oder Zahlungsaufforderungen bei ihm eingegangen wären, woraus er hätte schließen dürfen, dass keine weitere gerichtliche Verfolgung der Ansprüche folgen würde.