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BGH: Amtsgerichte dürfen Inkassokosten nicht ablehnen

Das Bundesverfassungsgericht hat mit seiner Entscheidung vom 07.09.2011 ( 1 BvR 1012/11) einer immer noch zu beobachtenden Praxis von einigen Amtsgerichten nochmals eine klare Absage erteilt: Inkassokosten sollten nach diesen Amtsgerichtsurteilen trotz gegenteiliger Rechtsprechung höherer Gericht nie als Verzugsschaden erstattungsfähig sein. Eine pauschale Ablehnung und gleichzeitige Nichtzulassung der Berufung ist jedoch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht verfassungswidrig und verstößt gegen die verfassungsrechtliche Rechtsschutzgarantie (Artt. 2 Abs. 1 i.V.m 20 Abs. 3 GG) sowie gegen Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Verbot objektiver Willkür.

erstattungsfähige Inkassokosten

Das Bundesverfassungsgericht betonte, dass Inkassokosten nach ganz herrschender Meinung in Rechtsprechung und Literatur grundsätzlich erstattungsfähig sind. Aufgrund der völligen Unabhängigkeit eines Richters könne ein Amtsrichter zwar Inkassokosten pauschal ablehnen aufgrund eines Verstoß` gegen die Schadensminderungspflicht des Gläubigers, er muss jedoch dann die Berufung auch unterhalb eines Streitwerts von 600,- Euro zulassen. Bei Streitwerten unterhalb dieser Schwelle ist nämlich die Berufung und damit die Entscheidung eines anderen (höheren) Gerichts nur möglich, wenn sie im Urteil explizit zugelassen ist. Häufig muss der Kläger daher die Entscheidung des Amtsrichters akzeptieren, da kein Rechtsmittel dagegen gegeben ist. Anders ist dies unter 600,- Euro Streitwert nur, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert (§ 511 Abs. 4 ZPO). Dies ist nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts bei Streitigkeiten um Inkasokosten immer dann der Fall, wenn von obergerichtlicher Rechtsprechung abgewichen wird.

In dem vom Gericht zu entscheidenden Fall hatte das Amtsgericht die Erstattungsfähigkeit von Inkassokosten pauschal mit einer sehr eigenwilligen Begründung abgelehnt: nach Ansicht des Amtsgerichts stelle die Beauftragung von Inkassounternehmen keine wirtschaftlich sinnvolle und rechtlich geschützte Wahrnehmung von Gläubigerrechten dar. Vielmehr würden lediglich eigene Mahnbemühungen kostenintensiv auf einen Dritten ausgelagert. Zwar hätten Mahnungen eines Inkassounternehmens in mehr als der Hälfte der Fälle Erfolg. Dies sei mangels eines nachhaltigen Druckmittels der Inkassounternehmen wohl darauf zurückzuführen, dass der Schuldner aus irrationalen Gründen Mahnungen eines Inkassounternehmens eine größere Bedeutung als Mahnungen des Gläubigers selbst beimesse.

Zulassung von Rechtsmittel

Dieser Ansicht folgte das Bundesverfassungsgericht nicht. Es bezeichnete die Beauftragung von Inkassounternehmen zum Forderungseinzug lediglich als „gängige Praxis“ und wies darauf hin, dass Inkassokosten grundsätzlich als Verzugsschaden erstattungsfähig sind. Weitere Ausführung hierzu erachtete das Gericht offensichtlich nicht für notwendig.

Das Amtsgericht muss also nach dieser Entscheidung die Berufung bei Streitigkeiten um Inkassokosten als Verzugsschaden auch unterhalb eines Streitwerts von 600,- zulassen, wenn in dem Urteil von der obergerichtlichen Rechtsprechung abgewichen wird. Dies war hier offensichtlich – das betreffende Amtsgericht hat sogar noch eine Anhörungsrüge der Klägerin gegen die ablehnende Entscheidung zurückgewiesen, in der auf ein früheres Urteil des Bundesverfassungsgericht in einem gleichgelagerten Fall Bezugs genommen wurde.