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Keine Schuldentilgung trotz Erbschaft?

Ist so etwas wirklich möglich? Da erbt ein Schuldner eine erhebliche Summe – und seine Gläubiger müssen weiter auf ihr Geld warten. Selbst eine unmittelbar bevorstehende Eröffnung des Insolvenzverfahrens lässt keine begründete Hoffnung zu, denn das deutsche Recht erlaubt es einem Schuldner völlig legal, sich trotz Erbes um seine Zahlungspflicht drücken zu können.

Hohe Schulden, hohe Erbschaft: Alle sind zufrieden?

Als Beispiel diene hier der frei erfundene Herr Müllermeierschulzeschmidt, nachfolgend kurz Herr M. genannt. Herrn M. drückt gerade die enorme Schuldenlast von 300.000 Euro. In seiner Familie gilt er als schwarzes Schaf. Mehrere gescheiterte berufliche Vorhaben als Unternehmer sowie sein teurer Auto-Spleen ließen seinen Schuldenberg stetig wachsen. Unverhofft erbt er von seinem verstorbenen Vater 750.000 Euro. In einem hinterlassenen Brief teilt der Vater mit, das Erbe solle ihn von seinen Schulden befreien und mit dem übrig bleibenden Betrag den Start in ein geordneteres Leben ermöglichen.

Mit einem Schlag wäre Herr M. seine Schulden los und erhielte eine Chance, künftig sein Leben unbelastet und mit wertvollen Erfahrungen aus gemachten Fehlern besser fortzusetzen. Doch was tut Herr M.? Er schlägt sein Erbe aus! Ist Herr M. nicht nur leichtsinnig, sondern sogar dumm?

Was sagen die Gläubiger von Herrn M. dazu? Sie hatten bereits aufgeatmet und nun das! Darf Herr M. mit seinen hohen Schulden sein Erbe überhaupt ausschlagen?

Alles im grünen Bereich: für den Schuldner

Herr M. ist alles andere als dumm. Er muss nicht erben, wenn er nicht will. Herr M. ist clever. Herr M. hat nämlich eine minderjährige Tochter.

So läuft es dann für ihn: Er schlägt zwar seine Erbschaft aus, nimmt diese aber danach im Namen seiner minderjährigen Tochter an. Während seine Tochter alles offiziell allein erbt, sehen seine Gläubiger keinen Cent von Herrn M.

Möglich macht dies § 83, Absatz 1, der Insolvenzordnung (InsO). Dieser Paragraf überlässt einem erbenden Schuldner die freie Entscheidung darüber, eine Erbschaft anzunehmen oder auszuschlagen, selbst wenn er dabei seine Gläubiger bewusst verprellt. „Die Ausschlagung einer Erbschaft ist der Insolvenzanfechtung entzogen“ heißt es hierzu eindeutig im § 83, Abs. 1, wonach sich Anfechtungsbegehren erübrigen.

Das deutsche Rechtssystem gilt als schuldnerfreundlich, während Gläubiger kaum Handlungsspielraum gegen zahlungsunwillige Schuldner haben – Stichwort: Restschuldbefreiung. Schuldner wie Herr M. sitzen die sechs Jahre locker aus, im Rücken das großzügige Erbe. Hier stellt sich lediglich die Frage nach der Moral. Juristisch ist alles korrekt gelaufen.

Im Raum steht die Frage, ob Deutschland hier nicht europäischen Ländern wie der Schweiz, Italien, Spanien, Frankreich oder Österreich folgen möchte, die das juristische Problem erkannt und entsprechende Konsequenzen gezogen haben.