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Generalabrechnung mit dem LG Berlin: Warum „Conny“ doch Recht bekommt

Der BGH hat das LG Berlin zurechtgewiesen und stärkt damit Unternehmen aus dem Bereich Legal Tech. Ihr Geschäftsmodell wird für gut geheißen, die Plattform „wenigermiete.de“ wird von Einwendungen durch die Berliner Richter befreit.

LG Berlin, bitte nachsitzen!

Die Juristen des Bundesgerichtshofs sprachen in ihrem Urteil vom 30.03.2022 (Az. VIII ZR 256/21) davon, dass die Richter des LG Berlin nachsitzen und ihre Hausaufgaben machen müssten. Sie hätten Dinge „im Ansatz verfehlt“ und „erneut verkannt“. Gleichzeitig habe das LG Berlin seine eigene Rechtsprechung nicht zur Kenntnis genommen, was bedeutet, dass die Richter am Landgericht wohl noch nicht einmal lesen wollten. Die Richter des BGH gingen damit in einen Affront, weil sie verärgert waren. Am Landgericht hatte man ein Urteil getroffen und war der Annahme unterlegen, dass die Richter in Karlsruhe dieses nicht wieder aufheben würden. Man stützte sich angeblich auf Tatsachen statt auf Rechtsgründe. Doch der BGH kann keine Tatsachen beurteilen, da er Revisionsinstanz ist. Das Landgericht wendete damit einen unter Juristen bekannten Taschenspielertrick an, den die Richter am Bundesgerichtshof aber nicht durchgehen lassen wollten.

Der Zivilsenat rechnet ab – mit einem Rundumschlag

Das Urteil des Landgerichts Berlin ist nicht allein für den Ärger beim VIII. Zivilsenat verantwortlich. Grund für all den Ärger war die Klage von „Conny“ (früher unter dem Namen „Lexfox“ und unter der Domain „wenigermiete.de“ bekannt). Der Bundesgerichtshof befasste sich mit einer ganzen Reihe von Aussagen zur Zulässigkeit des Legal Tech-Unternehmens. Das Landgericht suchte bereits seit 2019 nach Verstößen gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG), wobei der grundsätzliche Sachverhalt immer der gleiche war. Das Unternehmen Conny hat eine Inkassobefugnis nach dem RDG und klagt gegen Vermieter, da Mieter ihre Ansprüche an Conny abgetreten hatten. Vermieter verlangten eine höhere Miete, als sie per Gesetz bekommen könnten, daraufhin berechnete Conny einen Höchstbetrag, der wiederum gesetzlich zulässig war. Der Vermieter sollte daraufhin die zu viel gezahlten Beträge zurückzahlen und sich künftig an die Höchstgrenzen halten. Conny behält bei jedem Verfahren ein Erfolgshonorar ein, den Rest des erstrittenen Geldes bekommt der Mieter.

Die Erlaubnis nach dem RDG würde die Tätigkeit von Conny decken, wenn sich das Unternehmen auf die Rückforderung der überzahlten Mieten beschränken würde. Doch Conny geht einen Schritt weiter und macht Auskunftsansprüche geltend. Die Kosten werden nach dem Wert der Aufforderung berechnet, künftig keine illegalen Mieterhöhungen mehr vorzunehmen. Ein Beispiel: Die Monatsmiete beträgt 300 Euro, Conny bekommt rund 6.400 Euro als Gebührenstreitwert. Viel zu viel, fand das Landgericht Berlin.

Tätigkeiten im Randbereich der Zulässigkeit?

Das Landgericht Berlin hatte schon häufiger seine Zweifel an der Rechtmäßigkeit von Connys Tätigkeit. Angeblich umgehe das Unternehmen die anwaltlichen Berufs- und Gebührenrechte und beschränke sich nicht auf die Einziehung von existenten Forderungen. Genau diese würden erst zur Entstehung gebracht. Das BGH sieht die Sache anders und ist der Meinung, dass die Tätigkeiten „noch“ von der Befugnis durch das RDG abgedeckt seien. Damit läge Conny im Randbereich des zulässigen Verhaltens, das aber legal sei. Auf bisher nicht erforschtem Gebiet leistet Conny zudem wertvolle Pionierarbeit in Sachen Digitalisierung (Legal Tech). Auch der BGH tastet sich hier vor. Schon 2019 legten die BGH-Richter dar, dass eine Einheit zwischen der Rückforderung überzahlter Mieten und der künftigen Vermeidung solcher gegeben sei. Das Landgericht sagt nun, dass die Verhinderung einer Forderungsentstehung nicht als Inkasso zu sehen sei, der BGH beurteilt das große Ganze konträr.

Der BGH lässt dennoch Vorsicht walten

Ein Problemfall ist der Button „Mietsenkung beauftragen“ auf der Internetseite von wenigermiete.de. Ein solcher Button müsse besonders gestaltet sein, damit der Verbraucher genau weiß, dass er mit dem Anklicken eine Bestellung auslöst. Vergleichbar ist dies mit den Schaltflächen „kostenpflichtig bestellen“, welche unmissverständlich sind. Noch vor Kurzem sah der BGH den Button für richtig an (Az. VIII ZR 123/21), doch nun sind die Richter vorsichtig geworden. Sie lehnten die Zulässigkeit des Buttons ab, offenbar wollten sie keine neue Vorlage des Landgerichts an den Europäischen Gerichtshof riskieren. Für den aktuellen Fall ist dies unschädlich, weil der Kunde seine Rechte auch nach Bekanntwerden der Kosten noch einmal abgetreten hatte.

Fazit: Legal Tech-Unternehmen freuen sich

Das Urteil des Bundesgerichtshofs ist für Anbieter von Legal Tech-Lösungen sehr erfreulich, da die Richter endlich den Inkassobegriff und seine mögliche Auslegung für ein konkretes Geschäftsmodell erklärt haben. Damit wurde das Fundament der Unternehmen gestärkt, sodass sich darauf aufbauen lässt.