Verjährung im Insolvenzverfahren
In Deutschland wird jährlich bei zahlreiche Unternehmen das Insolvenzverfahren eröffnet. Zu dieser Situation führen neben fehlendem Controlling unter anderem ein mangelhafter Führungsstil oder ein verändertes Marktumfeld. Während des Insolvenzverfahrens führen viele Unternehmen ihr Tagesgeschäft weiter, um die fehlenden finanziellen Mittel zu erwirtschaften. Dabei sind sich Zulieferer und Dienstleister häufig unsicher, ob die aus ihren Leistungen resultierenden Forderungen tatsächlich beglichen werden.
Sämtliche Verbindlichkeiten, die nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstehen, zählen nicht zu den offenen Insolvenzforderungen. Dadurch muss sie der Insolvenzverwalter grundsätzlich immer bei Fälligkeit begleichen. Für diesen Zweck benötigen Dienstleister jedoch die ausdrückliche Zustimmung des Verwalters. Liegt diese vor, können sie das Unternehmen auch weiterhin mit Waren beliefern.
Risiko auf Forderungsausfall bleibt bestehen
Dennoch sollten Zulieferer genau abwägen, ob sie die Geschäfte mit dem insolventen Betrieb fortführen wollen. Obwohl ihre Forderungen eine hohe Priorität haben, sind sie nicht gegen einen Forderungsausfall abgesichert. In der Praxis kommt es häufig vor, dass dem Insolvenzverwalter die finanziellen Mittel kurzfristig ausgehen. Schließlich gelingt es ihm nicht immer, die Insolvenzmasse so schnell wie erwartet in Geld umzuwandeln. Sobald das betreute Unternehmen seine Verbindlichkeiten nicht länger fristgemäß begleichen kann, meldet der Verwalter beim zuständigen Insolvenzgericht eine sogenannte Masseunzulänglichkeit an.
Grundsätzlich handelt es sich dabei um eine doppelte Insolvenz. Wegen der mehrfachen Zahlungsunfähigkeit können Gläubiger ihre Forderungen nicht länger gegen den Verwalter durchsetzen. Stattdessen müssen sie bis zum Abschluss des gesamten Verfahrens warten. Natürlich haben Massegläubiger einen vorrangigen Anspruch auf die gebildete Insolvenzmasse. Dadurch erhalten Insolvenzgläubiger erst dann ihr Geld, wenn alle Dienstleister ausbezahlt wurden. Alternativ besteht jederzeit die Möglichkeit, dass der Insolvenzverwalter die Schulden vorzeitig begleicht. Dies geschieht in der Regel unmittelbar, nachdem er die Masseunzulänglichkeit beseitigen konnte.
Der Verjährung vorbeugen
Mit dem Urteil (Geschäftsnummer IX ZR 118/17) vom 14.12.2017 entschied der Bundesgerichtshof aber, dass Forderungen gegen die Masse selbst bei angezeigter Masseunzulänglichkeit noch verjähren können. Aus diesem Grund sollten sich Gläubiger immer informieren, wann ihre Rechnungen verfallen und geeignete Maßnahmen eingeleitet werden müssen. Für diesen Zweck stehen ihnen unter anderem eine Feststellungsklage sowie ein Stillhalteabkommen mit dem Insolvenzverwalter zur Verfügung.
Darüber hinaus hemmt eine Forderungsanmeldung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 10 BGB die Verjährung der offenen Verbindlichkeit. Dabei müssen sämtliche Anforderungen aus der Insolvenzordnung genau eingehalten werden. Laut § 204 Abs. 2 BGB erstreckt sich die Hemmung bis sechs Monate nach dem offiziellen Ende des eingeleiteten Verfahrens. Außerdem stellte der Bundesgerichtshof mit einem Urteil (Aktenzeichen XI ZR 181/08) vom 08.12.2009 klar, dass sich das Gesetz auf das Ende des Insolvenzverfahrens bezieht. Zuvor sorgte der exakte Zeitpunkt der Hemmung in der Praxis häufig für Streitigkeiten. Viele Gläubiger bezogen sich auf das Ende des Forderungsanmeldeverfahrens, um das Verjähren sechs Monate nach dem Einsetzen des Verwalters zu rechtfertigen.
Wann verjährt die Schuld?
Zahlreiche Gläubiger nehmen an, dass ihre Forderungen sechs Monate nach Ablauf des Insolvenzverfahrens verjähren und nicht länger eingetrieben werden können. Tatsächlich endet zu diesem Zeitpunkt lediglich die Hemmung. Dabei handelt es sich um eine Unterbrechung der gesetzlichen Verjährungsfrist (§ 209 BGB) für die Dauer des Verfahrens. Angenommen ein am 01.12. aufgenommenes Insolvenzverfahren beschäftigt sich unter anderem mit einer Schuld, die am 31.12. verjährt. Wenn es am 01.04. endet, wird die Verjährungsfrist der offenen Forderung am 01.10. fortgesetzt. Dadurch hat der Gläubiger bis zum 31.10. Zeit, weitere Maßnahmen einzuleiten oder das Geld einzutreiben.