Inkassogebühren zulässig / erstattungsfähig

Das Verfahren

Die Berufung des Klägers gegen das am 29.04.2003 verkündete Urteil der 33. Zivilkammer des Landgerichts Köln – 33 O 456/02 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die gegen ihn gerichtete Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Beiden Parteien wird gestattet, die Sicherheitsleistung auch durch schriftliche, unwiderrufliche, unbedingte und unbefristete Bürgschaft eines im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstituts zu erbringen.

Die Revision wird nicht zugelassen.
I.
Die Beklagte ist ein Inkassounternehmen. Der Kläger, die B. H. Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e.V., verlangt von ihr, es künftig zu unterlassen, bei der geschäftsmäßigen Beitreibung von fremden Forderungen für Mahnschreiben vom Schuldner Kostenersatz von mehr als einer 10/10-Gebühr nach § 11 BRAGO zu verlangen. Das Landgericht ist der Rechtsauffassung des Klägers, das Verhalten der Beklagten sei unter dem Gesichtspunkt des Vorsprungs durch Rechtsbruch und wegen des Ausnutzens der geschäftlichen Unerfahrenheit der Schuldner sittenwidrig im Sinne von § 1 UWG, nicht gefolgt. Vielmehr hat es die Klage abgewiesen, soweit das im Berufungsverfahren noch verfolgte Unterlassungspetitum des Klägers in Rede steht. Gegen diese Entscheidung wendet sich der Kläger mit seiner Berufung und beantragt, die Beklagte unter gleichzeitiger Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu verurteilen, es künftig zu unterlassen, bei der geschäftsmäßigen Beitreibung von fremden Forderungen für Mahnschreiben vom Schuldner Kostenersatz von mehr als einer 10/10-Gebühr nach § 11 BRAGO zuzüglich eines maximalen Auslagenaufschlages von 15%, maximal 20,00 EUR, mit oder ohne gesetzliche Mehrwertsteuer, zu verlangen. Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidung (Bl. 149 ff. d.A.) und die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

formelle Erwägung

II. Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Vielmehr hat das Landgericht die Klage zu Recht mit der Begründung abgewiesen, der geltend gemachte Anspruch stehe dem Kläger weder aus § 1 UWG noch aus sonstigem Rechtsgrund zu. Der Senat nimmt die Ausführungen des Landgerichts vorab ausdrücklich als richtig in Bezug und fasst nachfolgend zusammen, aus welchen Gründen auch aus seiner Sicht die klagebegründenden Tatsachen nicht schlüssig vorgetragen sind:

Der vom Kläger für sich ins Feld geführte Tatbestand des Vorsprungs durch Rechtsbruch nach § 1 UWG setzt voraus, dass ein Wettbewerber dadurch einen Vorsprung vor seinen Mitbewerbern erlangt, dass er durch das Gesetz festgelegte Bindungen missachtet, an die sich seine Mitbewerber halten. Denn dann nutzt er die Gesetzestreue seiner Konkurrenten aus und setzt die aus der Gesetzesverletzung gezogenen Vorteile im Wettbewerb zur Förderung des eigenen Unternehmens ein. Allerdings ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. die Nachweise bei Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl. 2001, § 1 UWG Rdn. 610) nicht jede Wettbewerbshandlung, die auf dem Verstoß gegen eine gesetzliche Vorschrift beruht, sittenwidrig im Sinne von § 1 UWG. Das gilt selbst dann, wenn es sich bei der verletzten Vorschrift nicht nur um eine wertneutrale Ordnungsvorschrift zum Schutze der Verbraucher handelt, die nicht Ausdruck einer sittlichen Wertung ist und deren Verletzung deshalb nicht ohne weiteres als wettbewerbswidrig beurteilt werden kann (vgl. dazu aus der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur BGH GRUR 1992, 696, 697 “Teilzahlungspreis I” m.w.N.), sondern es sich bei der verletzten Vorschrift um eine sogenannte wertbezogene Norm handelt. Wertbezogene Normen sind solche, deren Missachtung sich irgendwie auf die Wettbewerbslage auszuwirken vermögen. Verstöße hiergegen ziehen regelmäßig das Unwerturteil aus § 1 UWG nach sich, es sei denn, im Einzelfall ist unter Berücksichtigung des Gesamtverhaltens des Wettbewerbers und des Schutzzwecks des § 1 UWG eine sittenwidrige Beeinträchtigung der Lauterkeit des Wettbewerbs dennoch zu verneinen (vgl. hierzu etwa BGHZ 140, 134, 138 f. “Hormonpräparate”; BGH GRUR 2000, 237, 238 = WRP 2000, 170 “Giftnotruf-Box”; BGH WRP 2000, 1116, 1119 “Abgasemissionen” und BGH WRP 2001, 255, 257 “Verbandsklage gegen Vielfachabmahner”).

Im Streitfall kommt es hierauf indes nicht entscheidend an, ebenso wenig auf die Frage, ob die in ständiger Rechtsprechung insbesondere auch der Instanzgerichte vorgenommene Unterscheidung zwischen wertneutralen und wertbezogenen Gesetzesvorschriften weiterhin vorzunehmen ist, nachdem der Bundesgerichtshof in seiner – soweit ersichtlich – bislang nur in EBE/BGH 2003, 317 f. veröffentlichten Entscheidung vom 03. Juli 2003 in dem Revisionsverfahren I ZR 211/01 diese Differenzierung nicht mehr vorgenommen, sondern lediglich geprüft hat, ob die verletzte Gesetzesnorm, hier Bestimmungen der bislang zu den wertneutralen Ordnungsvorschriften gezählten Regelungen der Preisangabenverordnung, Wettbewerbsbezug aufweisen und Verstöße gegen sie deshalb zugleich den Tatbestand des § 1 UWG erfüllen. Diese Fragen bedürfen nicht der Beantwortung, und zwar deshalb, weil die Beklagte entgegen der Auffassung des Klägers schon nicht einer Gesetzesnorm zuwiderhandelt, wenn sie von den von ihr angeschriebenen Schuldnern für das erste Mahnschreiben einen höheren Betrag als eine 10/10-Gebühr nach § 11 BRAGO verlangt und damit mehr fordert, als ein Rechtsanwalt dies für das erste Mahnschreiben tun dürfte. Namentlich bestimmt Artikel IX Abs. 1 S. 3 des Gesetzes zur Änderung der Ergänzung kostenrechtlicher Vorschriften (KostÄndG) entgegen der Auffassung des Klägers nicht, dass die Regelungen der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte (BRAGO) auch für die Höhe der Erstattungsfähigkeit von Inkassogebühren gelten. Artikel IX Abs. 2 KostÄndG sagt ausdrücklich, dass Artikel IX Abs. 1 S. 1 und S. 2 KostÄndG nicht für Inkassobüros gilt. Artikel IX Abs. 1 S. 1 und S. 2 KostÄndG bestimmen, dass die BRAGO für die Vergütung von Personen, denen die Erlaubnis zur geschäftsmäßigen Besorgung fremder Rechtsangelegenheit erteilt worden ist, sinngemäß gilt. Nach Artikel IX Abs. 1 S. 2 KostÄndG ist eine Vereinbarung, durch die die Höhe der Vergütung vom Ausgang der Sache oder sonst vom Erfolg der Tätigkeit abhängig gemacht wird, nichtig. Diese beiden Bestimmungen gelten aber nach der insoweit eindeutigen Bestimmung des Artikel IX Abs. 2 KostÄndG nicht für Inkassobüros. Soweit es in dem auch für Inkassobüros geltenden Artikel IX Abs. 1 S. 3 KostÄndG heißt, für die Erstattung der Vergütung würden die Vorschriften der Verfahrensordnungen über die Erstattung der Vergütung eines Rechtsanwalts sinngemäß gelten, bedeutet das lediglich, dass die Vorschriften der dort genannten Verfahrensordnungen für sinngemäß anwendbar erklärt werden. Damit ist indes nicht eine materielle Begrenzung von Ansprüchen gemeint, die der säumige Schuldner aufgrund des Eintritts seines Verzuges als Schadenersatz zu leisten hat.

Allerdings trifft es zu, dass viele Gerichte, namentlich mit solchen Fragen befasste Amtsgerichte, häufig die Auffassung vertreten, die Erstattungsfähigkeit solcher Kosten sei im Falle ihrer grundsätzlichen Berechtigung der Höhe nach zu begrenzen. Teilweise wird als Prüfungsmaßstab insoweit nur die Vorschrift des § 138 Abs. 1 BGB herangezogen, teilweise und überwiegend wird die Auffassung vertreten, dem Grunde nach erstattungsfähige Inkassogebühren seien der Höhe nach gemäß § 254 Abs. 2 BGB auf die Kosten zu begrenzen, die auch ein Rechtsanwalt hätte verlangen können. Der Klage verhilft das gleichwohl nicht zum Erfolg. Es gibt nämlich keine gesetzliche Regelung, welche die Berechtigung von Inkassogebühren generell der Höhe nach begrenzt, insbesondere nicht auf eine 10/10-Gebühr gemäß § 11 BRAGO. § 254 Abs. 2 BGB hat keinen Wettbewerbsbezug, er besagt lediglich, dass den Gläubiger Schadenersatzminderungspflichten treffen, und dass deshalb ggf. geprüft werden muss, ob ein Inkassobüro von einem bestimmten Schuldner zu Recht eine bestimmte Mahngebühr verlangen kann oder nicht. Das ist eine Frage des Einzelfalls, die gegebenenfalls zwischen den Parteien zu klären ist, die sich über die Höhe eines solchen Anspruches streiten. Etwas anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn unter dem Gesichtspunkt des Vorsprungs durch Rechtsbruch oder auch dem vom Kläger angesprochenen rechtlichen Gesichtspunkt des Ausnutzens der geschäftlichen Unerfahrenheit von Schuldnern es in der Bundesrepublik Deutschland in der Tat einhellige Meinung wäre, dass Inkassogebühren nur bis zu einer maximalen Gebühr von 10/10 der entsprechenden BRAGO-Gebühr erstattet werden können. Eine solche einheitliche Rechtsprechung gibt es indes nicht.

Zu Recht ist es zwischen den Parteien nicht streitig, dass die Gerichte in der Bundesrepublik Deutschland die Erstattungsfähigkeit von Inkassokosten für das erste Mahnschreiben nicht der Höhe nach auf eine 10/10-Anwaltsgebühr beschränken, sondern dem jeweiligen klagenden Inkassounternehmen in zahlreichen Urteilen bescheinigt haben, dass sie für das erste Mahnschreiben mehr als 10/10 einer entsprechenden Anwaltsgebühr, häufig 15/10, gelegentlich sogar 20/10 oder 25/10, verlangen dürfen. Nach der vom Landgericht beim Präsidenten des Landgerichts Köln eingeholten Auskunft, deren inhaltliche Richtigkeit der Kläger nicht bestritten hat, ist es im übrigen gerade im Landgerichtsbezirk Köln so, dass auch andere Inkassounternehmen von den Schuldnern bis zu 15/10 einer entsprechenden BRAGO-Gebühr fordern, so dass diesbezügliche Dienstaufsichtsbeschwerden von Schuldnern in der Vergangenheit zurückgewiesen worden sind.

Herschende Meinung

Solange in der Bundesrepublik Deutschland keine Regelung oder zumindest eine einheitliche Rechtsauffassung dahingehend besteht, dass Inkassokosten losgelöst von den Umständen des Einzelfalles niemals zu einem höheren Betrag als 10/10 der entsprechenden Anwaltsgebühr erstattungsfähig sind, ist es nicht sittenwidrig, wenn die Beklagte von den von ihr angeschriebenen Schuldnern die Erstattung von Kosten fordert, die ihr möglicherweise in dem einen Gerichtsverfahren als berechtigt zugesprochen würden, in dem anderen hingegen nicht.

Dass die Praxis der Beklagten, von den von ihr gemahnten Schuldnern mehr als 10/10 einer fiktiven Anwaltsgebühr als Mahnkosten zu verlangen, nicht zu der Annahme führen kann, dieses Verhalten sei sittenwidrig im Sinne von § 1 UWG und daher zu unterlassen, zeigt im übrigen der Umstand, dass es der Beklagten dann, wenn dem Klageantrag des Klägers stattgegeben werden würde, verwehrt wäre, aus ihrer Sicht berechtigte höhere Forderungen einzuklagen und gegebenenfalls, und sei es über eine Nichtzulassungsbeschwerde, eine höchstrichterliche Entscheidung dazu herbeizuführen, ob sie für ein Mahnschreiben mehr als 10/10 der entsprechenden BRAGO-Gebühr nebst Auslagen zu fordern berechtigt ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Der Rechtssache kommt weder grundsätzliche Bedeutung zu noch erfordern Belange der Rechtsfortbildung oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung durch den Bundesgerichtshof.

Zwar mag die Frage, ob ein Inkassounternehmen für ein von ihm gefertigtes Mahnschreiben vom Schuldner auf keinen Fall einen höheren Ersatzbetrag als – rechnerisch – eine 10/10-Gebühr nach § 11 BRAGO verlangen kann, grundsätzliche Bedeutung haben. Dagegen ist es nicht von grundsätzlicher Bedeutung, ob im Streitfall die Beklagte als Inkassounternehmen wettbewerbswidrig handelt, weil sie dem jeweiligen Schuldner einen höheren Betrag in Rechnung stellt.