Das Inkassoschreiben – wie viel Offenheit ist erlaubt?
Das Formulieren einer Forderung gegen einen Schuldner gehört für die meisten Inkassounternehmen mittlerweile zum beruflichen Alltag. Oft werden diese Inkassoschreiben mit Textbausteinen angereichert. Stets gleich ist dabei das verfolgte Ziel: Der Empfänger soll zur Tilgung der offenen Geldsumme bewegt werden. Was dabei erlaubt ist, hatte kürzlich das Oberlandesgericht in Hamburg zu entscheiden.
Der Ton macht die Musik
An jedem Tag werden wohl mehrere einhundert Mahnungen von Inkassounternehmen an bislang säumige Schuldner versendet. So ähnlich der Inhalt dabei auch jedes Mal sein mag, so sehr kann sich indes die Form unterscheiden. Denn wie der Gläubiger einer offenen Geldsumme seine schriftliche Botschaft überbringt, das obliegt ganz alleine ihm. Manche Inkassobüros setzen dabei auf freundliche Worte, auf Kommunikation und Unterstützung – andere hingegen wählen einen etwas strengeren Ton und greifen zum probaten Mittel der engen Fristsetzung. Was erlaubt ist und worauf verzichtet werden sollte, ist ohnehin Gegenstand wiederholter Gerichtsentscheidungen. So lag dem Oberlandesgericht Hamburg kürzlich ein Sachverhalt zur Beurteilung vor, bei dem sich die Frage stellte, ob das offene Ansprechen von Konsequenzen bei Nichtzahlung einer Schuld denn überhaupt rechtlich zulässig sei.
Die Formulierung lässt keine Fragen offen
Ausgangslage war das Schreiben eines Inkassounternehmens an einen Schuldner, gegen den zuvor bereits ein rechtswirksamer Titel erlassen wurde. Das Schriftstück, das dieser ein wenig später in seinen Händen hielt, zeigte ihm die Folgen seines Fehlverhaltens auf. So wurde ihm eindringlich mitgeteilt, dass er künftig kaum mehr kreditfähig sei und bereits der Abschluss eines Handyvertrages für ihn schwierig werden könnte. Auch die Lohnpfändung und eine Zwangsvollstreckung wurden ihm in Aussicht gestellt. Vom Eintrag ins Schuldnerregister einmal abgesehen. Kurzum, der Brief des Inkassobüros war vielleicht nicht eben freundlich formuliert – doch er wählte offene und vor allem verständliche Aussagen. Keine der in dem Schreiben angesprochenen Konsequenzen war gänzlich aus der Luft gegriffen.
Klage gegen das Schreiben
Der Schuldner selbst hatte zuvor übrigens eine gegen ihn gerichtete Hauptforderung bereits getilgt. Offen – und Anlass dieses Inkassoschreiben – war lediglich die Nichtzahlung von Anwaltsgebühren. Insbesondere ein Passus wird dem Schuldner dabei vermutlich gehörige Angst gemacht haben. Denn darin wurde ihm angekündigt, dass der bereits erwirkte Titel für einen Zeitraum von 30 Jahren gegen ihn verwendet werden kann. Auch das ist aus juristischer Sicht richtig – scheint beim Empfänger aber derart große Sorgen ausgelöst zu haben, dass dieser den Brief durch die Verbraucherzentrale Berlin e. V. überprüfen ließ. Diese wiederum klagte gegen die Form des Inkassoschreiben, immerhin könne die Wortwahl vom Leser missverständlich aufgefasst werden. Sie sei irreführend und stelle durchaus eine aggressive Form der Geschäftspraxis dar.
Die Klage wird weitgehend abgewiesen
Das Oberlandesgericht Hamburg folgte der Argumentation der Verbraucherzentrale Berlin e. V. allerdings nicht. Vielmehr wurde die inhaltliche Richtigkeit der aufgezeigten Konsequenzen bei Nichtzahlung der offenen Summe ausdrücklich erwähnt. Auch am Tonfall gab es nichts zu beanstanden: Die Wortwahl sei sachlich und neutral – um fälschliche Drohungen, Irreführungen oder eine aggressive Geschäftspraxis handele es sich hier nicht. Inhalt und Form seien daher korrekt dargestellt worden. Insgesamt müsse das Schreiben dergestalt vom Schuldner akzeptiert werden – zumal gegen ihn tatsächlich ein rechtswirksamer Titel vorliegt, das eigentliche Fehlverhalten durch das Nichtbegleichen der offenen Anwaltskosten also ihm zufällt. Er muss es folglich hinnehmen, dass ihm durch den Brief des Inkassounternehmens in klaren Worten mitgeteilt wird, mit welchen Konsequenzen er künftig zu rechnen hat.
Bestätigung früherer Entscheidungen
Wäre der Klage der Verbraucherzentrale Berlin e. V. stattgegeben worden, so wäre durchaus mit erheblichen Auswirkungen auf die Inkassobranche zu rechnen gewesen. Denn hier gehört es zum beruflichen Alltag, säumigen Schuldnern in aller Deutlichkeit die Auswirkungen ihres Fehlverhaltens aufzuzeigen. Anderenfalls wären derartige Mahnschreiben wohl ihrer größten Stärke beraubt. Daher verwundert es nicht, dass die Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamburg nun jenem Weg folgt, der bereits in den letzten Jahren von anderen Gerichten und zum Teil in höchster Instanz vorgezeichnet wurde. Immerhin kam schon der Bundesgerichtshof im Jahre 2018 zu dem Fazit, dass das simple Eintreiben einer offenen Forderung keine aggressive Geschäftspraktik darstellt. Das Urteil aus Hamburg unterstreicht diese Sichtweise und stärkt nunmehr die Rechte der Inkassobetreiber beim Abfassen von Forderungen.
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