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Deutsche Justiz wird bürgerfreundlicher – mehr Flexibilität bei Dateiformaten im elektronischen Rechtsverkehr

Das Landgericht Mannheim hat mit seinem Berufungsurteil vom 04.09.2020 unter dem Aktenzeichen 1 S 29/20 über die Landesgrenzen hinaus viel Aufmerksamkeit erregt.

Gegenstand der Entscheidung war die Bearbeitbarkeit eines vom Anwalt des Berufungsklägers bei Gericht eingereichten elektronischen Schriftstückes oder anders gesagt Dokumentes. Es war im DOCX-Format dem E-Mail-Begleitschreiben beigefügt. Die Vorinstanz des Berufungsgerichtes wies das Dokument zurück, weil es für die weitere Bearbeitung durch das Gericht nicht verwendbar, in dem Sinne nicht kompatibel sei.

Diese Auffassung wurde so vom LG Mannheim nicht geteilt und die vom Amtsgericht getroffene Entscheidung aufgehoben. Das Landgericht orientierte sich gleichfalls aber eher pragmatisch an der Gesetzeslage. Allerdings klammerte es sich nicht manisch zum Thema Dateiformat im elektronischen Rechtsverkehr daran fest.

Die LG-Richter*innen stellten sich auf den Standpunkt, dass es für die Bearbeitbarkeit im elektronischen Rechtsverkehr sowohl auf die Zumutbarkeit als auch auf die Machbarkeit bei dem jeweiligen Gericht vor Ort ankomme, ob ein Dateiformat als bearbeitbar anerkannt werde oder nicht. Umgekehrt muss der Absendende auch sicher sein und sollte sich vorab vergewissern, dass die von ihm verwendeten Dateiformate auch tatsächlich bei dem jeweiligen Gericht bearbeitbar sind.

Elektronischer Rechtsverkehr – bewährte Praxis in deutschen Amtsstuben

ERV und ELRV sind die gängigen Abkürzungen für den Begriff elektronischer Rechtsverkehr innerhalb von Gerichten und Behörden sowie von denen mit Anwälten, Notaren sowie natürlichen und juristischen Personen des privaten Rechts. Der europäische Oberbegriff ist die E-Justice für alle elektronischen Abläufe im gesamten Gerichtswesen.

In § 130a ZPO, der Zivilprozessordnung ist im Einzelnen geregelt, was ein elektronisches Dokument ist und wie damit umgegangen wird. Es muss auf jeden Fall für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet sein. Was das ist und wie das geht, wird durch die per Rechtsverordnung festgelegten „geeigneten technischen Rahmenbedingungen zur Übermittlung und Bearbeitung“ näher bestimmt. Das ist die ERVV, „Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach“. Gemäß § 2 Absatz 1 ERVV können Dateien in den Formaten PDF und TIFF eingereicht werden. Alternativ müssen sie nach § 5 Absatz 1 ERVV den Versionen dieser beiden Dateiformate entsprechen.

Der Schriftsatz des Berufungsklägers war als DOCX-Datei eingereicht worden; insofern entsprach er nicht den Vorgaben des ERVV.

Soweit so gut!

Was ist für die Bearbeitung geeignet – Das ist die Frage

Das Besondere und Erwähnenswerte an diesem Urteil des LG Mannheim ist die Tatsache, dass sich die Richter*innen von der starren Vorgabe des Gesetzestextes abgewandt und – auch im Sinne des Verfahrens – eine pragmatische Lösung bevorzugt haben. Sie bezogen sich auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 22.10.2004 unter dem Aktenzeichen 1BvR 894/04. Der damalige Kernsatz lautete, „….. dass im Prozessrecht die Formanforderungen kein Selbstzweck seien …..“.

Will heißen, dass die Alltagspraxis Vorrang vor der Gesetzesstarre hat.

Die Mannheimer Richter*innen machten deutlich, dass von der ERVV abweichende Dateiformate dann nach § 130a ZPO geeignet sind, wenn damit gearbeitet werden kann. Maßgeblich sei das Repräsentat des eingereichten elektronischen Dokumentes. Durch das bei Gericht genutzte IT-System werden bei der Speicherung von elektronischen Dokumenten in der elektronischen Akte auf automatisierte Weise Repräsentate erstellt. Das sind Kopien der elektronischen Dokumente in dem einheitlichen Dateiformat PDF/A. Die Bildung von Repräsentaten ist aus vielerlei Gründen erforderlich.

Das in dem Berufungsfall eingereichte elektronische Dokument im DOCX-Format wurde unverändert Eins zu eins in der elektronischen Akte gespeichert. Gleichzeitig wurde daraus ein Repräsentat im PDF/A-Format erzeugt, das ebenfalls in der elektronischen Akte gespeichert und angezeigt oder anders gesagt lesbar gemacht wurde.

Der praktische Zweck war erfüllt – Das E-Dokument war form- und fristgerecht eingegangen und lesbar. Alles andere wäre reiner Selbstzweck, nur um dem Gesetzestext Genüge zu tun.

Fazit – Besser auf Nummer Sicher gehen

In diesem Fall hat der Berufungskläger, etwas salopp gesagt, auch Glück gehabt. Denn die Entscheidung bedeutet im Umkehrschluss, dass das jeweilige Gericht aufgrund der individuellen IT-Ausstattung auch tatsächlich mit den von der ERVV abweichenden Dateiformaten arbeiten kann. Wenn nicht, dann sitzt der Absender am kürzeren Hebel. Er sollte oder muss auf Nummer Sicher gehen und sich vorab bei dem Empfängergericht verbindlich vergewissern, dass die von ihm genutzten Dateiformate auch tatsächlich verarbeitbar sind.

Spätestens jetzt weiß der Verfasser des Schriftsatzes, woran er ist und welche Dateiformate er bei welchem Gericht benutzen kann oder muss.

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