Identitätsdiebstahl und seine Folgen
Der Identitätsdiebstahl ist eine Straftat, die sich ganz überwiegend im Internet abspielt. Er ist eine missbräuchliche und insofern unberechtigte Nutzung von fremden personenbezogenen Daten, sozusagen der Identität durch unbekannte sowie außenstehende Dritte. Der Bestohlene, dessen Personendaten oder anders gesagt Identität benutzt wird, bemerkt zunächst nichts davon.
Diese Situation des Nichtwissens ändert sich – erst – in dem Moment, in dem der Identitätsdieb die gestohlenen Personendaten für eine Straftat verwendet. In den meisten Fällen geschieht das, indem zulasten des Bestohlenen finanzielle Verbindlichkeiten eingegangen und anschließend über einen Inkassodienstleister geltend gemacht werden. Das Inkassounternehmen geht seinerseits und guten Glaubens fordert den Bestohlenen zur Zahlung für eine Leistung, die er weder bestellt noch erhalten hat auf.
Ein solcher Identitätsdiebstahl war Anlass und Grundlage für die Entscheidung des Bundesgerichtshofes BGH vom 20.10.2021 unter dem Aktenzeichen I ZR 17/21. Vorinstanzliche Entscheidungen waren die des Landgerichtes Hamburg aus dem Jahr 2019 sowie des Oberlandesgerichtes Hamburg als Berufungsgericht aus Januar 2021.
Drei Kernpunkte aus der BGH-Entscheidung
• „Der Irrtum des Unternehmers über den Umstand einer vorhergehenden Bestellung durch den zur Zahlung aufgeforderten Verbraucher ist im Rahmen der Prüfung der Unlauterkeit einer geschäftlichen Handlung unter dem Gesichtspunkt der Irreführung auch dann nicht zu seinen Gunsten zu berücksichtigen, wenn dieser Irrtum nicht vorwerfbar ist.
• Eine unzulässige geschäftliche Handlung nach Nr. 29 Anhang zu § 3 Abs. 3 UWG kann nur dann angenommen werden, wenn nicht bestellte Waren tatsächlich geliefert oder nicht bestellte Dienstleistungen tatsächlich erbracht wurden. Das bloße Inaussichtstellen einer Warenlieferung oder Dienstleistungserbringung reicht dazu nicht aus.
• Waren gelten nur dann als geliefert und Dienstleistungen nur dann im Sinne von Nr. 29 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG als erbracht, wenn sie den zur Zahlung aufgeforderten Verbraucher so erreicht haben, dass er auch tatsächlich dazu in der Lage ist, sie zu nutzen oder über deren Verwendung zu bestimmen.“
Identitätsdiebstahl für Abschluss von Mobilfunkvertrag
Mit der gestohlenen Identität wurde zulasten der bestohlenen Person ein Mobilfunkvertrag abgeschlossen. Die ihrer Identität bestohlene Person wurde von dem Inkassounternehmen zur Begleichung der angeblich offenen Vertragszahlungen aufgefordert.
Während der bestohlene die Zahlung verweigert, sah sich das Inkassounternehmen im Recht und versuchte das angenommene Recht bei Gericht durchzusetzen. Nach mehreren Jahren und Gerichtsinstanzen wurde dieser Identitätsdiebstahl letztinstanzlich zugunsten des bestohlenen als Endverbraucher entschieden.
Identitätsdiebstahl vs. nicht vollständig erbrachte Leistung
Mit dem Vertragsabschluss allein ist die Leistung eines Mobilfunkvertrages – noch – nicht erbracht. Ziel ist es vielmehr, zu den vereinbarten Konditionen des Mobilfunkvertrages auch tatsächlich die Dienstleistungen des Netzanbieters in Anspruch nehmen zu können. Das ist der originäre Vertragszweck und seitens des Mobilfunkbetreibers die Gegenleistung für die regelmäßige monatliche Vertragszahlung.
Ohne die nach Vertragsabschluss unentbehrlichen Zugangsdaten zum Mobilfunknetz – dazu gehört zwingend die SIM-Karte – mitsamt der Freischaltung hat der Endverbraucher keinen Zugang zum Mobilfunknetz.
Der Identitätsdiebstahl „beschränkte“ sich in diesem Fall auf den Vertragsabschluss. Hier endete die missbräuchliche Datennutzung. Weiter kam oder weiter wollte der Datendieb nicht gehen.
Damit war jedoch – und das ist das Neue sowie Interessante an dieser aktuellen BGH-Entscheidung – der Mobilfunkvertrag nicht erfüllt. Denn die bestohlene Person war nicht dazu in der Lage und wurde auch nicht dazu in die Lage versetzt, den Mobilfunkvertrag aktiv sowie eigenständig zu nutzen. Etwas einfacher formuliert: Der Vertrag existierte nur auf dem Papier.
Zwei weitere beachtenswerte Aspekte
– Nur das Inaussichtstellen einer Warenlieferung oder Erbringung einer Dienstleistung ist unzureichend und gilt nicht als Vertragserfüllung.
– Das Inkassounternehmen ist nicht durch Nichtwissen geschützt, ob respektive dass sein Vertragspartner einen Identitätsdiebstahl aufgesessen hat. Vereinfacht gesagt bleibt der Inkassodienstleister auf seinen Kosten sitzen.
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