Mietkaution hemmt nicht die Zwangsvollstreckung eines Mieters
Wenn ein Mieter wie üblich eine Mietkaution hinterlegt hat, kann er sich dennoch mithilfe einer notariellen Urkunde in zulässiger Weise der sofortigen Zwangsvollstreckung bei Mietschulden unterwerfen. Es liegt dabei keine unzulässige Übersicherung nach § 551 BGB vor. Das hat der BGH in einem Urteil vom 14.06.2017 entschieden (Az.: VIII ZR 76/16 BGH). Vorab ist festzustellen, dass dieser Fall eher selten vorkommt, jedoch eine adäquate Möglichkeit für Wohnungsuchende mit negativer oder gänzlich fehlender Schufa-Auskunft darstellt.
Die Mietkaution im vorliegenden Fall
Ein aus dem Ausland nach Deutschland gezogener Mieter unterwarf sich bei der Unterzeichnung seines Wohnraummietvertrages im Dezember 2013 per notarieller Urkunde einer sofortigen Zwangsvollstreckung für den Fall von Mietausfällen. Für den Mieter konnte es wegen seines vorherigen Wohnsitzes im Ausland und der fehlenden deutschen Staatsangehörigkeit keine Schufa-Auskunft geben. Gleichzeitig war der Mieter in geschäftlichen Belangen sehr erfahren und stimmte dem Verfahren daher zu, das ihm möglicherweise die einzige Chance auf eine Wohnung in Deutschland bot. Er leistete darüber hinaus die hierzulande übliche Mietkaution von drei Nettokaltmieten. Wegen angeblicher Mängel in seiner Wohnung minderte er dann ab März 2014 die Miete, worüber es zum Streit mit dem Vermieter kam. Da dieser kein Recht und Anlass für die Mietminderung sah, betrieb er aus der notariell beurkundeten Unterwerfung unter die Zwangsvollstreckung eben diese wegen des Mietrückstandes. Der Mieter nahm daraufhin den Standpunkt ein, dass eine sofortige Zwangsvollstreckung nach Leistung der Mietgarantie unzulässig sei. Er erhob daher vor dem zuständigen Amtsgericht die Vollstreckungsabwehrklage.
Unterschiedliche Auffassungen der Gerichte
Das zuständige Amtsgericht Berlin-Charlottenburg wies die Vollstreckungsabwehrklage ab. In der nächsten Instanz gab das Landgericht Berlin dem Kläger recht. Zur Begründung hieß es, eine Zwangsvollstreckung per Notarvertrag sei unzulässig. Die notarielle Unterwerfung sei demnach als eine unzulässige Mietsicherheit nach § 551 Absatz 4 BGB anzusehen. Gegen diese Entscheidung ging der Vermieter in Revision, worauf der Fall beim Bundesgerichtshof landete. Dieser wiederum bejahte in seinem oben zitierten Urteil die Zulässigkeit der angeordneten Zwangsvollstreckung. Zugunsten des Vermieters hob daher der BGH die vorherige Entscheidung des Landgerichts Berlin auf. Explizit verneinten die Richter am BGH die Auffassung ihrer Kollegen am Berliner Landgericht, dass eine notarielle Unterwerfungserklärung in Bezug auf eine Wohnungsmiete unwirksam nach § 551 Absatz 4 BGB sein. In der Begründung hieß es unter anderem, dass zwar der § 551 Absatz 1 BGB eine Grenze bei Mietsicherheiten in Höhe der zulässigen Höchstkaution von drei Nettokaltmieten vorsehe. Davon abweichende und für den Mieter nachteilige Vereinbarungen seien auch wirklich nach § 551 Absatz 4 BGB unwirksam. Allerdings sei eine Unterwerfung in die Zwangsvollstreckung nicht als Mietsicherheit zu betrachten. Diese Unterwerfung biete dem Vermieter im Gegensatz zur Barkaution, Bürgschaft oder dem verpfändeten Sparbuch keine zusätzliche Zugriffsmöglichkeit. Sie ermögliche nur eine schnellere Vollstreckung, gegen die sich der Mieter wiederum per Vollstreckungsabwehrklage wehren könne. Zitiert wurden im Urteil auch die § 232 BGB und § 794 Absatz 1 Nr. 5 ZPO (anwendbar auf den vorliegenden Fall).
Würdigung des Urteils
Der BGH hat in letzter Instanz entschieden, dass eine Zwangsvollstreckung trotz vorhandener Mietkaution bei Mietschulden grundsätzlich möglich ist, wenn sich der Mieter dieser Möglichkeit zuvor freiwillig unterworfen hat. Ob die Zwangsvollstreckung auch ohne die vorherige Unterwerfung möglich wäre, hat das Urteil hingegen nicht entschieden. Es schafft dennoch eine wichtige Rechtssicherheit für Mieter und Vermieter:
- Mieter mit einer schlechten oder fehlenden (wie im vorliegenden Fall) Schufa-Auskunft können das Mittel der freiwilligen Unterwerfung unter die Zwangsvollstreckung nach § 794 Absatz 1 Nr. 5 ZPO wählen. Es erhöht deutlich ihre Chancen, einen Mietvertrag zu erhalten.
- Für Vermieter besteht die Möglichkeit, die notarielle Urkunde nach § 794 Absatz 1 Nr. 5 ZPO anzufordern (Unterwerfung unter die Zwangsvollstreckung bei Mietschulden) und gleichzeitig die Mietkaution zu vereinnahmen.
- Das BGH-Urteil ist deshalb nachvollziehbar, weil a) nicht klar ist, was eine Zwangsvollstreckung überhaupt bringen würde und daher dieses Mittel durchaus wertloser sein kann als die Mietkaution und b) beim deutschen Mietrecht, das Mieter umfassend schützt, ohne eine solche Möglichkeit bei finanziell angeschlagenen Mietern sehr starke Verluste drohen. Die Räumung der Wohnung nach Mietschulden oder noch höheren Schäden (Verwüstung durch Mietnomaden) ist nach entsprechender Räumungsklage oft erst nach einem Jahr möglich. Das BGH-Urteil erweitert daher die Möglichkeiten einer bestimmten Mietergruppe und schützt gleichzeitig die berechtigten Interessen von Vermietern.
Ähnliche Themen:
Mietinkasso – die komplexe Problematik mit säumigen Mietern – Suizid des Schuldners nach Vollstreckung – OS Plattform verpflichtet Onlinehändler