Verhinderung eines Suizid des Schuldners nach Vollstreckung / Vorgehen bei Suizidandrohung
Die Erlangung eines rechtskräftigen Urteils muss für einen Gläubiger noch längst nicht bedeuten, dass er den Titel auch vollstrecken kann. Schuldner wehren sich dagegen oft mit Händen und Füßen, manchmal sogar mit Suizidandrohung. Damit können sie Erfolg haben, wie aus dem Beschluss 2 BvR 2425/18 des Bundesverfassungsgerichts 15.05.2019 hervorgeht.
Tenor des zitierten BVG-Beschlusse
Bei Suizidgefahr kann eine Zwangsversteigerung auf unbestimmte Zeit, zumindest aber für längeren Zeitraum einzustellen sein. Das Vollstreckungsgericht muss in so einem Fall sicherstellen, dass der betroffene Schuldner ausreichend psychiatrisch betreut bzw. sogar in einer entsprechenden Einrichtung untergebracht wird. Hierfür ist das Gericht zwar nicht selbst zuständig, es muss aber darauf achten, dass sich zuständige Stellen rechtzeitig darum kümmern. Wenn das nicht geschehen ist, muss es die Vollstreckung auf Antrag des Betroffenen stoppen.
Verfassungsbeschwerde gegen eine Versagung des Vollstreckungsschutzes
Im vorliegenden Fall hatte eine Schuldnerin Vollstreckungsschutz nach § 765 a ZPO beantragt. Ihr Haus und Grundstück sollten vollstreckt werden. Die Frau im Alter von 53 Jahren machte geltend, dass sie durch die Vollstreckung an Leib und Leben akut gefährdet sei (Suizidandrohung). Dies wollte sie mit einem psychiatrischen Gutachten belegen. Das Amtsgericht lehnte den Antrag ab. Die Frau legte daraufhin Verfassungsbeschwerde ein und erhielt im zitierten Beschluss Recht, weil nach Auffassung der BVG-Richter das AG nicht ausreichend geprüft habe, ob es genügend Maßnahmen zur Betreuung der suizidgefährdeten Frau gäbe. Der Fall war zuvor über die nächsthöhere Distanz des Landgerichts gegangen, das auch zunächst die Vollstreckung gestoppt und ein psychiatrisches Gutachten eingeholt hatte (LG Dessau-Roßlau). Die Gutachterin bestätigte die Suizidgefahr, dennoch wies das LG den Antrag auf Vollstreckungsschutz anschließend wieder zurück, worauf die Frau Beschwerde beim BVG einlegte und dort nach Artikel 2 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz Recht bekam („Recht auf Leben, körperliche Unversehrtheit“). Das Fazit des BVG-Beschlusses lautet für Gläubiger, dass sie bei einer Zwangsvollstreckung nötigenfalls geeignete Maßnahmen beantragen müssen, welche einen möglichen Suizid des Schuldners verhindern.
Strategien zur Anspruchssicherung bei Vollstreckung
Die Vollstreckung eines Urteils nach den §§ 704 ff. ZPO kann juristisch kompliziert sein, wie der Fall einer Schuldnerin zeigt, die unter Suizidandrohung ihre Vollstreckung verhindern konnte und mit einer diesbezüglichen Verfassungsbeschwerde sogar vom BVG Recht erhielt (BVG-Beschluss 2 BvR 2425/18). Gläubiger sehen die Schwierigkeiten in der Regel erst, wenn sie ihr Urteil bereits erstritten haben und nun an der Vollstreckung scheitern. Auch für die Vollstreckung kann daher nochmals anwaltliche Hilfe nötig sein.
Formstrenge bei einer Zwangsvollstreckung
Eine Zwangsvollstreckung muss formgerecht durchgeführt werden. Schwierigkeiten ergeben sich unter anderem, wenn Identifikationsdaten der zu vollstreckenden (natürlichen oder juristischen) Person nicht bekannt sind, weil sich deren Name oder Rechtsform geändert haben. Namens- und Rechtsformänderungen sind ein beliebtes Mittel von Vollstreckungsschuldnern, um der Maßnahme auszuweichen. Selbst wenn der Schuldner durch den Gerichtsvollzieher auch mit geändertem Namen zu ermitteln ist, so muss doch das Vollstreckungsgericht eine Titelberichtigung mit dem neuen Namen (der Rechtsform) des Schuldners vornehmen, was erneute Verzögerungen verursacht. Schlimmstenfalls ändert der Schuldner seinen Namen mehrfach und/oder begibt sich auf die Flucht. Gläubiger verzweifeln an diesen Möglichkeiten der Schuldner, weil sie gegenüber dem Gerichtsvollzieher in Vorleistung gehen müssen. Sie können jedoch mitwirken. Ein Inkassodienstleister oder Anwalt kann vor der Zwangsvollstreckung bestimmte Informationen zum Schuldner ermitteln. Wesentlich sind:
- vollständiger Name und Anschrift
- bei Firmen die Rechtsform
- Geburtsdatum
- gegenwärtiger Aufenthaltsort
- wirtschaftliche Verhältnisse, ermittelbar durch Bankverbindungen, aktuelle Arbeitsstelle sowie vergangene und gegenwärtig laufende Insolvenzverfahren
- Besonders erfahrene Inkassodienstleister sind darüber hinaus in der Lage, die Erfolgsaussichten einer Zwangsvollstreckung hinreichend zu beurteilen.
Das juristische Werkzeug der Sicherungsvollstreckung
Der § 720a ZPO erlaubt eine Sicherungsvollstreckung. Diese bedeutet, dass der Gläubiger, wenn ein gegen Sicherheit vorläufig vollstreckbares Urteil vorliegt, sofort bewegliches Vermögen pfänden lassen und in das unbewegliche Vermögen eine sogenannte Sicherungshypothek eintragen lassen kann. Damit unterbindet er den Verlust oder die Verschleierung des vollstreckbaren Vermögens während des häufigen Instanzenzuges nach dem Urteil (Revision, Berufung etc.). Das Mittel der Sicherungsvollstreckung sollte daher nicht übersehen und aktiv genutzt werden.
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